Kriege gehören in Europa seit mehr als sechs Jahrzehnten der Vergangenheit an. Und dennoch zeigen die aktuellen Ereignisse in den Krisenregionen, wie wichtig die Friedenserziehung im Sozialkunde- und Geschichtsunterricht ist. Im Rahmen einer eintägigen Klassenfahrt wählten die Klassen 9a, b und e mit ihren Klassenlehrern Jörg Schäfer, Oliver Jentjens und David Hübel Verdun als außerschulischen Lernort und gingen auf Spurensuche. Das Ehepaar Bettina und Michael Hörter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge übernahm die Führung und stellte gleich zu Beginn heraus, „dass Frieden viel mehr ist, als die bloße Abwesenheit von Krieg. Das Bewusstsein für den Frieden muss immer wieder neu geschaffen und gefestigt werden.“
Verdun - Schauplatz europäischer Geschichte und Versöhnung
Im Jahr 1916 starben in der Schlacht um Verdun 700.000 Soldaten. Da man nach dem Krieg die Gebeine von 130.000 Toten nicht mehr nach Person oder Nationalität identifizieren konnte, vereinigte man deren Knochen im Gebeinhaus zu Douaumont. Der Weg zum Gebeinhaus führte die Jugendlichen durch Kraterlandschaften, Schützengräben und Unterstände, die ein erschütterndes Bild vom verfestigten Stellungskrieg erlaubten. Herr Hörter wies die Schüler darauf hin, dass Verdun eine Art „Gedenklandschaft“ darstellt, die im Bewusstsein der Franzosen eine enorm wichtige Rolle spielt. Die Aufmerksamkeit der Jugendlichen richtete sich auf die Reihe endloser Gräber, die sich unterhalb des Gebeinhauses befinden. Von eben jenem Soldatenfriedhof ging am 22. September 1984 ein bedeutendes Signal der Versöhnung aus, das seinerzeit die Welt tief bewegte. Damals hatten Francois Mitterrand und Helmut Kohl die Gefühle übermannt. Während oben über den Gräbern ein Trompetenspieler mit seinem Instrument die Totenklage in das unfreundliche Wetter blies, standen sie plötzlich Hand in Hand, der französische Staatspräsident und der deutsche Kanzler. Der Handschlag von Verdun hat als politisches Symbol seither das gleiche Gewicht wie der Kniefall von Willy Brandt in Warschau.
Welchen psychischen Belastungen die Soldaten in dieser Zeit ausgesetzt waren, erfuhren die Kaisersescher Schüler im Fort Douaumont. Die extreme Enge, schlechte Luft und die katastrophalen hygienischen Bedingungen, eine unzureichende Versorgung, der Wassermangel und Dauerbeschuss durch den Gegner machte das Leben der Soldaten zur Qual. Eine massive Metallplatte, die bewusst fallengelassen wurde, verdeutlichte für einen kurzen Augenblick den Höllenlärm, den 80 Granaten pro Stunde seinerzeit verursachten. Auf dem „Dach“ des Forts konnten die Schießanlagen und der ca. 37 Tonnen schwere ausfahrbare Geschützturm besichtigt werden, der eine Reichweite von 7 km besaß.
Das völlig zerstörte Dorf Fleury lag 1916 voll auf der Frontlinie und war die letzte Ortschaft vor Verdun. Es gab wohl kaum ein Gebiet, das umkämpfter war als dieses. Allein zwanzig Mal, so erfuhren die Schüler, wurde Fleury hin und her erobert. Heute zeugen die weißen Markierungssteine von dem damaligen Straßenverlauf, die grauen Steine verweisen auf die zerstörten Häuser. Auf dem Gebiet des ehemaligen Bahnhofs von Fleury befindet sich das Memorial, das 1963 gebaut wurde. Französische Soldaten trugen viele persönliche Gegenstände zusammen, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Außerdem macht ein beinahe originalgetreuer Schützengraben das Grauen der damaligen Zeit erlebbar.
Die „klassischen Unterrichtsmittel“ wie Bücher, Filme und Gespräche können die Dimension des Krieges nur begrenzt vermitteln. Nachhaltige Erziehung zum Frieden beinhaltet, dass die persönlichen Auswirkungen eines Krieges für junge Menschen anschaulich werden. Dazu gehören das Sterben, der Verlust der Gesundheit, Hunger, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, das Bangen um Angehörige und schließlich die Trauer um ihren Tod. Die Kaisersescher Schüler konnten durch den Besuch der ehemaligen Schlachtfelder von Verdun das Grauen des Krieges durch eigene Anschauung nun eher nachvollziehen.